Delfine-mit-Segelboot

Chaussee de Seine

Wir drehen um. Im dunkeln und fast in der Nacht beschließen wir, zu wenden. Das Meer kocht, der Wind bläst. In der Drehung schaukelt das Boot, die Schiffsbewegung zieht mir den Boden unter den Füßen weg, ich werde seekrank.

Christoph schickt mich in die Koje und steuert den Weg alleine zurück. Mit Wind von achtern ist das doch erträglicher. Ich lege mich mit einem Ohropax im Ohr hin, alles dreht sich. Mit der Zeit beruhige ich mich aber.
Irgendwann nachts wache ich von einem lauten piepsen auf. Ich stehe auf und suche die Quelle. Das Funkgerät gibt einen AiS Alarm – ein Boot ist in gefährlicher Nähe. Ich gehe schnell an Deck. Es ist ein Kreuzfahrer, doch dieser ist noch sehr weit entfernt. Wir checken die Lage, das Schiff dreht irgendwann ab. Christoph schickt mich wieder unter Deck und ich nehme dankbar an.

„Kommst du? Wir sind gleich da!“ Ich stehe auf, schlüpfe in mein Ölzeug und gehe an Deck.
Ein unglaublich schöner Sonnenaufgang empfängt mich. Wir legen in Camaret-sur-mer an unserem gewohnten Platz an und legen uns erst mal schlafen.

Der Morgen begrüßt uns mit Nebel. Alles sieht so diesig aus wie unsere Stimmung. Wir besprechen die Fahrt und beschließen, es richtig gemacht zu haben. Auch wenn es sich anders anfühlt. Wir starten mit unseren Plänen für die Weiterfahrt, denn: aufgeben ist keine Option.

Irgendwann kommt der Zündfunke: ein Freund von uns will mit uns über die Biscaya fahren. Diese Info nimmt uns ganz viele Sorgen ab und wir nehmen das Angebot sehr gerne an. Flo ist eine Art „Allzweckwaffe“, der Leatherman unter den Seglern die wir kennen. Wir sind froh, nicht alleine die Überfahrt machen zu müssen. Unsere größte Sorge ist, ich könnte ausfallen. Und dann müsste Christoph alles alleine machen. Die zweitgrößte Sorge ist, es könnte etwas kaputtgehen, was wir nicht selbst reparieren können. Genau hier kommt Flo ins Spiel, er kann nämlich gefühlt alles reparieren!

Also checken wir das Wetter und die Lage. Vielleicht passt das Wetter in fünf Tagen, aber fünf Tage sind auch keine stabile Wettervorhersage. Wir haben noch eine offene Lieferung aus NL, die uns in den Marinas in Frankreich nicht erreichen will. Wir beschließen, uns die Sachen zu dem nächsten TransOzean Stützpunkt schicken zu lassen, das sollte besser funktionieren. Also machen wir uns auf den Weg dorthin und Flo plant seine Reise auch an diesen Punkt.
Der Stützpunkt ist in Concarneau, hinter unserem wunden Punkt, der Ponte de Raz.

Face your fears

Also stellen wir uns der Situation und fahren bei einem wirklich sehr ruhigen Wetterfenster los. Wir queren die Pointe de Raz kurz vor Sonnenuntergang bei 1 Bft und null Welle. Wir fahren durch die Nacht, begleitet von Delfinen und kommen am frühen Morgen im Hafen von Concarneau an.

Es ist traumhaft hier, Concarneau ist ein sehr hübscher Ort mitten in der Bretagne. Und unsere Lieferung wurde schon im Hafen abgegeben. Gegen nachmittag sollte Flo ankommen, wir sind erleichtert, alles läuft.
Nur das Wetterfenster sieht immer noch sehr zweifelhaft aus. Entweder wir haben sehr viel Wind – oder keinen. Die Vorhersagemodelle sind nicht sehr einheitlich, was nicht gut ist. Je einheitlicher verschiedene Modelle, desto stabiler die Vorhersage.

Wir beschließen, uns entspannt vorzubereiten und am nächsten Tag zu entscheiden ob wir fahren wollen. Also bestaunen wir die mittelalterliche Stadt von Concarneau und fallen müde ins Bett.
Am nächsten Morgen sieht die Vorhersage immer noch nicht besser aus.

Die Möglichkeiten sind fahren und entweder zu viel oder keinen Wind zu haben. Oder zu bleiben, am Boot zu reparieren und uns die Bretagne anzuschauen und später ohne Flo zu fahren. Beide Optionen haben ihre Reize – aber auch ihre Gefahren.
Der Wecker geht um 06.00 Uhr. Wir wollten uns entscheiden. Und wie es dann so ist: keiner will die Entscheidung treffen. Bis 11.00 Uhr diskutieren wir. Und plötzlich geht es schnell: Flo fährt mit dem Faltrad Diesel holen, wir klarieren das Boot. Und 2 Stunden später fahren wir los: Biscaya, Baby!

Biscaya, Baby!

Wir hatten zu Beginn der Reise natürlich unseren Tribut an Ramses gezollt. Aber bis jetzt war er ja sehr zurückhaltend mit seinem wohlwollenden Wind. Bei einer Umfrage in einer Facebookgruppe wurde mir gesagt: kippt alles rein, was ihr mögt und vergesst die anderen Götter nicht!
Gesagt, getan: es gab Gin, Gummibärchen und Lakritzschnecken für Rasmus, Poseidon und alle anderen Götter. Die Delfine waren ein wenig verwirrt, ließen sich aber nicht abbringen: sie spielten und schwammen mit uns. Der Wind frischte auf und wir hatten gepflegte 15 Knoten. Traumhaft.

Die Jungs beschlossen, ich dürfte nachts schlafen und das Angebot nahm ich sehr gerne an. Ich war doch etwas „seekrank“ (also müde) und kroch bei Anbruch der Dunkelheit in die Koje.
Flo und Christoph wechselten sich ab und die erste Nacht verlief ruhig.

Jetzt hier jeden Tag im Verlauf zu erklären, das geht zu weit. Wir mussten irgendwann auf halber Strecke die Segel einholen. Die Biscaya wogte so vor sich hin, es sah aus wie das Meer in der Augsburger Puppenkiste.

Irgendwann meinte Christoph, etwas zu sehen. Wir holten die Ferngläser, machten etwas schwimmendes leuchtfarbenes aus, wir diskutierten was zu tun wäre und wir nahmen Kurs auf.

Je näher wir kamen, umso ruhiger wurden wir. Was, wenn…es ein Mensch ist? Was, wenn schlimmes uns erwartet? Und dann die Erleichterung: es war rosa, irgendetwas aufgeblasenes. Das Smartphone gezückt und dann POB Manöver mitten auf der Biscaya geübt. (POB= Person over Bord). Person über Bord-Manöver wird gefahren, wenn jemand über Bord geht und wieder eingeholt werden muss.

Blöd ist es nur, wenn man vergißt, am Smartphone den Aufnahmeknopf zu drücken. Und so gibt es nur Erinnerungen und Erzählungen, wie wir den rosa Bade-Flamingo aus der Biscaya fischten.

Der Abend naht und ich schleiche langsam Richtung Koje, da kommt der Ruf von Flo „Delfine“.
Und dann haben wir den besten Gänsehaut-Moment überhaupt: ganz viele Delfine springen und schwimmen mit uns in einem 100% kitschigen Sonnenuntergang. Das volle Farbspektrum der gelb, rosa und Rottöne umgibt uns. Kleine Fische springen aus dem glatten und ruhigen Wasser…wir sind alle drei total berührt!
Schau es dir an im unten angehängten Video…

Holà España!

Es kommt die Nacht und am nächsten Morgen ist es soweit, wir erreichen Spanien! Begleitet von Pilotwalen erreichen wir die Bucht von A Coruña. Die Anfahrt war etwas komplizierter, da sehr viel Fischer-Gedöns im Wasser schwamm. Also Bojen, an denen entweder ein Korb oder ein Netz oder was auch immer hängt. Hier muss man aufpassen, schnell ist etwas im Propeller und die Fahrt ist erst mal vorbei. 

In A Coruña gibt es mehrere Marinas, jede hat ihre Vor-und Nachteile. Wir haben uns für die Stadtmarina entschieden, denn wir liegen immer gerne zentral. 
Wir kommen an: unsere Biscaya Überquerung ist geschafft! Und…wir leben alle noch. Kaputt und glücklich.

Doch wir kommen erst nicht zur Ruhe, wir brauchen dringend ein paar Ersatzteile, der Autopilot braucht dringend Pflege und der Schlitten vom Rollgroß hat den Geist aufgegeben. Irgendwas ist immer nach der Biscayaüberquerung, habe ich gehört.

Also gehen wir schnell direkt in den Organisationsmodus über und regeln die wichtigsten Sachen, denn es ist Wochenende. Und gerade die kleinen Läden haben auch in Spanien am Wochenende geschlossen, oft sogar schon Samstags.

Als alles erledigt ist, geht es duschen, schlafen und abends dann „zum Spanier“, lecker Tapas essen. Die Stadt nach den drei Tagen vollkommene Einsamkeit ist zum einen völlig überfordernd, zum anderen aber auch toll. Und der Kopf muss sich umgewöhnen von französisch auf spanisch. Wir stoßen an auf eine erfolgreiche Biscaya – Querung mit rosa Flamingo!

Die Stadtmarina war eine gute Entscheidung, wir liegen richtig zentral und können so unsere Besorgungen gut erledigen. Der Autopilot hat schon seit Beginn der Reise rumgezickt. Also nimmt sich Flo erst mal diesen vor, nur ein Teil von vielen Baustellen am Boot. Es beginnen arbeitsreiche Tage. Flo und Christoph sind unermüdlich, der Paketdienst bringt ein Päckchen nach dem anderen und Christoph kennt bald alle Ferruterias und Autozubehörläden in A Coruña.

Nach ein paar Tagen kommt die Freundin von Flo und die beiden ziehen mit dem Auto weiter. Sie machen zusammen Urlaub in Galizien, was nicht heißt, wir sehen sie nicht wieder.

Wir verbringen noch ein paar Tage in A Coruña bei der Vorbereitung der weiteren Reise. Das Beiboot, das Dinghi, wird zum ersten Mal aufgeblasen und der 2PS Außenborder endlich gewartet. Das Langfahrer-Leben nimmt seine Form an!
Danke Biscaya!

Wie es nach A Coruña weitergeht, kommt dann im nächsten Artikel!

4 Kommentare
  1. Alex sagte:

    Liebe Marion, lieber Christoph,
    es ist eine helle Freude euren Blog zu lesen! Ich als Segelfan, aber blutiger Anfänger, lese eure Storys mit allerlei Vorfreude! Weiter so!

    Liebe Grüße,
    Alex

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